Peter Collien 1975
Galerie Lietzow

Text von Godehard Lietzow

Rückblick 1963 – 1970

Unter den "Berliner Phantasten" war Peter Collien wohl der pretiöseste Maler. In seinen kleinformatigen Bildern, Zeichnungen und Radierungen stellte er sich seit Anfang der 60er Jahre in direkten Bezug zur anspruchsvollen Tradition des Manierismus. Anspruchsvoll waren seine Inhalte: mythologische, seltener historische oder literarische Szenen, das intelligente Spiel der allegorischen Darstellung, die bizarre und bedeutungsvolle Gestik seiner Figurationen, das erotische Raffinement seiner Bild-Gestalten. Anspruchsvoll war Collien auch in der Wahl seiner Arbeitsmittel: Tempera- und Öl-Lasurmalerei, Silberstift- und weißgehöhte Zeichnung. Schließlich: Anspruchsvoll auch die sublim gebrochene Farbigkeit seiner Bilder.

Gegen Ende der 60er Jahre begann sich in Colliens Werk in zunehmender Weise ein Prozess der inhaltlichen, handwerklichen und formalen Verknappung, Vereinfachung anzuzeigen. An die Stelle der vielfigurigen Szenerie trat die stillebenhaft formierte Darstellung von Einzelfigurationen, besser: von einzelnen Körpern. Kopflose Körper oftmals, seltsam gesichtslose Körper-Wesen, die stillebenhaft fixiert waren. In diesen Bildern kündigte sich jene Entwicklung ab, die Collien ab 1972 bis heute darlegte und die mit der gegenwärtigen Ausstellung zum ersten Mal aufgezeigt wird.

Colliens zentrales Thema war seit jeher die menschliche, bevorzugt die weibliche Figuration. In den frühen Bildern war es die szenarische Gruppierung, Zueinanderordnung der Gestalten innerhalb "altmeisterlich" verklärter Landschaften und phantastischer Architekturen. (→Foto 1) Komplizierte Zueinanderordnungen im Dienste einer übergeordneten Sinn-Bedeutung.

Später, gegen Ende der 60er Jahre wurde die Einzelgestalt in ihrer körperhaften Dimensionierung das zentrale inhaltliche Motiv. Collien verzichtete auf die Darstellung übergeordneter (mythologischer, literarischer, historischer) Inhalte. Er verzichtete auch auf eine direkte Psychologisierung seiner Gestalten. Er malte keine Gesichter, keine Köpfe. Oftmals waren seine Gestalten nur Torsi, fast dinghaft verselbstständigte Körper. (→Foto 2) Die Gestik der Arme, der Hände, war häufig in einem beiläufigen Bewegungszustand erstarrt. In ihrer stillebenhaften Erstarrung wirkten diese Gestalten merkwürdig rätselhaft, künstlich, ja, surreal. In den Bildern ab 1972 verzichtete Collien schließlich auch auf diese Möglichkeit der Verfremdung.

Geblieben, wenn auch im Laufe der Jahre abgewandelt, ist die subtil gebrochene Farbigkeit der Malerei. Farbe ist in Colliens Bildern immer atmosphärisch wirksam. Sie vermittelt psychologisch aufschlüsselbare "Stimmungen", die im Bild bestimmender Bestandteil auch des gesamten inhaltlichen Konzepts sind. Wertigkeiten wie Schwermut, Traurigkeit, Melancholie, vielleicht gelegentliche Resignation (→Foto 3) – Schattierungen einer eher, wenn auch positiv gerichteten, pessimistischen Grundhaltung, lassen sich ablesen. Sie sind ohne Zweifel für den Versuch einer Interpretation von Colliens Arbeiten ebenso entscheidend wie die inhaltlich-formale Substanz der Bilder.

Godehard Lietzow