Luis Lemos 1984
Galerie Lietzow

Text von Joachim Becker

Beobachtungen

Lemos malt, was er lebt. Seine Bilder sind Zeugnisse seiner eigenen Vitalität, seiner Lebensfreude, sind Vorspiel, sind Impulse. Seine Malerei ist ein Abenteuer: jedes Bild ein neuer Anfang – ein Sterben und Werden. Malerei als Befreiungsakt. Ejakulation! Wiederholungen interessieren ihn nicht. Jedes "Erste Mal" ist eine Rückkehr zum Ursprung, voll von Energie, von Kraft und Phantasie – wie beim Liebesakt, "Ich fühle mich in einem Zustand früher Kindheit – Portugais sauvage".
Lemos nachts in einem Pariser Bistro, bevölkert von Punks. Dort ist er oft, als Beobachter. Er liebt, wie sie sind, ihre Sprache, ihre Zeichen, ihre Vorstellung von der Welt, ihre individuelle Ästhetik – Stachelhaare, Helme, Lederhaut... Wir finden sie wieder in authentischen Farben, transformiert, eingebettet in Zitaten früher afrikanischer Zivilisationen.

Masken, erotische Skulpturen, Frauen in Jerusalem, Rocker im "Bois de Bologne", Marie-Antoinette können Thema sein. Ein Blick in Rückenansicht, ein Nacken, die Taille eines Schwarzen im imaginären Raum. Morphologien von Momentaufnahmen. Lemos erzeugt Spannung, Herzklopfen. Seine Farben sind elementar, nicht nur als kontrastierende Farbgebung – sie sind integrierender Bestandteil von Bewegung. Arabesken, Kurven, Umrahmungen (Blick zu Matisse, zu Delacroix), Deformationen: "die Schönheit des Körpers reizt mich dazu". Gesichter, Hände, Füße genieren ihn – es lebe die Maskerade. Keine Personalisierungen: "Einsamkeit", "Im Dunkelraum", Wahrhaftigkeit eines nicht-formierten Lebens. Individualitäten. Personen, die "in action" sind – "was danach kommt, interessiert mich nicht" – festgehalten in bejahenden, kräftigen, bekräftigenden Farben.

Jesus am Kreuz bist Du, bin ich – mit sexuellem Verlangen. Erregende Farbgebung: lila, rot, gold. Erotik verhüllt, in geschlossenen Räumen, Mauern, Tabu und Schutz – lustvoll erlebt.
Lemos positiviert nicht. Er betrachtet die Welt mit offenen Augen, zieht lustvoll Gewinn aus dem, was wahr ist – "Mein Vater heißt Matisse, meine Großväter sind Goya und El Greco".

Joachim Becker